Dolmetschen – Wie funktioniert das eigentlich?

Machen Sie eigentlich auch dieses Simultanübersetzen?

Ich habe schon oft die Frage gestellt bekommen: Machen Sie eigentlich auch dieses Simultanübersetzen? Diese Frage muss ich leider verneinen, aber gleichzeitig bietet sie mir die ideale Gelegenheit, meinen Beruf ein wenig zu erklären. Und da wäre zunächst einmal der entscheidende Unterschied zwischen Übersetzen und Dolmetschen: Ersteres meint die schriftliche Übertragung eines Textes von einer Sprache in die andere, letzeres die mündliche.

Hier möchte ich mich der letzteren Variante zuwenden: dem Dolmetschen. Wie Sie auf der Seite Dolmetschen vielleicht schon erfahren haben, gibt es verschiedene Formen des Dolmetschens. Hier möchte ich Ihnen zunächst einmal das Simultandolmetschen etwas näher bringen, indem ich Sie mitnehme in meinen Alltag als Konferenzdolmetscherin.

Simultandolmetschen
Mein Tag startet mit dem Lesen aktueller Nachrichten, sowohl in meiner Muttersprache als auch meinen Arbeitssprachen. Das tue ich, um immer auf dem neuesten Stand zu sein, um zu wissen, was in der Welt und den Ländern, deren Sprachen ich spreche, passiert und die entsprechende Terminologie zu kennen. Dann beginne ich damit, mich auf den nächsten Auftrag vorzubereiten. Die Tagung der Geschäftsführer eines Maschinenbau-Unternehmens steht an. Das heißt, ich muss mich sowohl mit dem Unternehmen als auch dessen Maschinen, ihren Komponenten und deren Funktionsweise vertraut machen.

Bevor ich damit beginne, möchte ich mehr über meinen Auftraggeber erfahren: ich schaue mir seine Produkte an, die Unternehmensgeschichte und mache mir hierzu Notizen. Immerhin könnte es sein, dass bei der Präsentation der neuen Maschine hierauf Bezug genommen wird. Dann widme ich mich dem Handbuch der Maschine. Das Material hat mir die Firma rechtzeitig zur Verfügung gestellt, immerhin gilt es jetzt, mehrere hundert Seiten durchzuarbeiten.

Die Recherche - gut vorbereitet ist halb gedolmetscht
Ich lege mir schon einmal einen neuen Abschnitt in meinem Technik-Glossar an. Der wird jetzt mit Wörtern und Ausdrücken bestückt, die ich noch nicht kenne. Während ich so durch das Handbuch blättere, helfen mir die Fotos dabei, zu verstehen, wie die Maschine funktioniert und wenn ich keine finde, muss ich eben das Internet bemühen. Zu verstehen, wie etwas funktioniert und welches Teil wie mit dem nächsten zusammenhängt, ist ungemein wichtig, um die richtigen Worte zu finden, hilft meinem Gedächtnis aber auch, die neue Terminologie richtig abzulegen und zu verknüpfen. Nur so habe ich sie später auch sofort und ohne viel nachzudenken parat.
Manche Begriffe lassen sich schnell mit ihrer fremdsprachlichen Entsprechung finden. Für andere muss ich länger recherchieren, Bilder suchen, Foren abklappern oder bei Kollegen oder Firmen nachfragen. Nachdem mein Glossar für diesen Auftrag auf dem neuesten Stand ist, wird es zur Sicherheit an mehreren Orten und auf verschiedenen Medien gespeichert.
Der große Tag
Der Einsatztag steht bevor und ich habe meine Fahrtroute, Fahrkarte, Hotel und alles, was ich sonst noch so brauche, organisiert: Morgen kann es losgehen.

Als Dolmetscher bin ich immer früh vor Ort, um mich mit den Gegebenheiten vertraut zu machen. Ich muss mit den Kollegen die Dolmetschtechnik überprüfen, damit später auch alles reibunglos funktioniert. Wir schauen, ob wir Getränke zur Verfügung haben, gegebenenfalls müssen wir die Verantwortlichen für das Catering noch ausfindig machen und darauf hinweisen, dass wir Wasser-Nachschub benötigen. Wir richten uns mit unseren vorbereiteten Dokumenten, Laptops usw. in der Kabine ein.

Die Tagung beginnt, Kopfhörer auf, Mikro an und los geht’s!

Teamwork - zusammen sind wir unschlagbar
Ein Kollege oder eine Kollegin begleitet mich bei meinem Auftrag. Wir sind zum Beispiel das Dolmetschteam Englisch. Warum wir immer zu zweit sind? Nun, Dolmetschen ist eine anstrengende Tätigkeit, die ein sehr hohes Maß an Konzentration erfordert. Dieses Höchstmaß lässt sich aber nur über eine begrenzte Zeit aufrecht erhalten, sodass nach einer Weile, normalerweise eine halbe Stunde, gewechselt wird.

Nun ist die Kollegin oder der Kollege eine halbe Stunde dran, während ich mich regenerieren kann. Das heißt aber nicht, dass ich Pause habe und die Kabine sofort verlasse. Wir arbeiten im Team und als solches hilft man sich bei Fragen oder übernimmt in Notsituationen. Dolmetschen ist also immer auch Teamwork!

Hier finden Sie ein paar Hintergrundinformationen zum Thema „Dolmetschen und Stress“:

„The AIIC-workload study“, AIIC (The International Association of Conference Interpreters)
Mittag(stief)
Die ersten Präsentationen sind schnell abgehalten und die Mittagspause naht. Als Dolmetscher können wir diese nicht bis zum Ende ausdehnen, denn wir müssen wieder einsatzbereit in unserer Kabine sitzen, wenn andere noch schnell einen Kaffee holen. Apropos Kaffee und Konzentration, auch das weithin bekannte „Mittagstief“ müssen wir Dolmetscher nun gekonnt umschiffen, denn jetzt ist wieder voller Einsatz verlangt. Es hilft, sich beim Mittagessen ein wenig zurückzuhalten.

Am Nachmittag macht die Tagung dann richtig Spaß, denn mittlerweile sind wir mit Unternehmen, Maschinen und Teilnehmern vertraut und die Arbeit geht leicht über die Lippen. Wir merken, dass uns eigentlich niemand bemerkt und wissen: Wir machen einen guten Job! Wenn man uns Dolmetscher, die im Hintergrund in der Kabine sitzen, nicht als störend wahrnimmt, dann wissen wir, dass die Kommunikation zwischen allen Teilnehmern stimmt und reibungslos läuft.

Aufregend
Und so können wir am Ende der Tagung auch zufrieden unsere Dokumente zusammenräumen und aufgekratzt nach Hause gehen. Moment, aufgekratzt? Sie müssten doch jetzt wirklich müde sein, oder?! Stimmt, aber im Moment ist mein Adrenalinspiegel noch so hoch, dass ich erst einmal ein bisschen Zeit brauche, um den Tag ausklingen zu lassen. Eines habe ich aber für heute genug gemacht: geredet.

Erfahren Sie hier mehr über die Ausbildungsmöglichkeiten zum Dolmetscher oder Übersetzer.